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Eurozone
Die Rückkehr des europäischen Verbrauchers
Robert Lind
Volkswirt
IM ÜBERBLICK
  • In diesem Jahr dürften die Ausgaben in Europa wieder steigen, weil der Nachholbedarf den Konsum ankurbelt.
  • Da die hohen Energiekosten der Inflation Vorschub leisten, leiden die europäischen Verbraucher unter einem Rückgang ihrer Realeinkommen. Aber durch die starke Erholung der Arbeitsmärkte dürften die Haushaltseinkommen steigen.
  • Der Abstand zwischen den Konsumausgaben in der EU und den USA wird sich vermutlich 2022 abbauen – trotz zahlreicher Herausforderungen wie den steigenden Energiekosten und dem geringeren Verbrauchervertrauen.

2021 haben sich die Konsumausgaben in Europa erholt, wenn auch erheblich weniger deutlich als in den USA. 2022 dürfte sich diese Lücke aus meiner Sicht schließen. Trotz zahlreicher Herausforderungen wie den stark steigenden Energiepreisen und dem nachlassenden Verbrauchervertrauen gehe ich davon aus, dass die Europäer in diesem Jahr einen geringeren Teil ihrer Einkommen auf die hohe Kante legen werden. Der Nachholbedarf dürfte groß genug für einen stabilen Anstieg des Konsums sein.


Energieknappheit könnte ein Problem sein


Kurzfristig stellen sich diesem Anstieg einige Hindernisse in den Weg. Das Verbrauchervertrauen ist in allen vier großen Volkswirtschaften (Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien) vor allem aus zwei Gründen eingebrochen. Der erste ist die Ausbreitung der Omikron-Variante Ende 2021 und Anfang 2022, die das Verbraucherverhalten beeinflusst hat. Im Euroraum haben einige Länder die Restriktionen verschärft, mit Folgen für die Wirtschaftsaktivität.


Der zweite ist der erhebliche Rückgang der Realeinkommen infolge des massiven Anstiegs der Inflation in den letzten sechs Monaten. Gemessen am Verbraucherpreisindex liegt die Inflationsrate jetzt in allen vier Ländern deutlich über den offiziell angestrebten 2%. Das gilt vor allem für Deutschland, Italien und Großbritannien, wo die Inflation über 5% beträgt.


Für diesen Inflationsanstieg gibt es mehrere Gründe. In Deutschland sind steuerliche Veränderungen für die Teuerung verantwortlich. Andere Ursachen sind allen vier Ländern gemein. Der wichtigste Faktor sind die Folgen des massiven Anstiegs der Energiepreise für die Verbraucher.


Steigender Verbrauch der privaten Haushalte in Europa: Die Lücke zu den USA schließt sich

Gas and Electricity chart

Stand 3. Quartal 2021 (Deutschland, Italien, Großbritannien) und 4. Quartal 2021 (USA und Frankreich). Quellen: BEA, Bundesbank, INSEE, ISTAT, ONS

Die Entwicklung der Inflation in diesem Jahr hängt maßgeblich von den Energiepreisen ab. Nachdem sie im Dezember ihre Höchststände erreicht hatten, sind die Preise für Gas und Strom wieder zurückgegangen, bleiben aber deutlich höher als im Spätsommer 2021. In ihren Inflationsprognosen gehen die Europäische Zentralbank und die Bank of England von einem weiteren Rückgang der Energiepreise aus. Auf Grundlage dieser Annahme sollten die Inflation 2022 zurückgehen und die Realeinkommen steigen.


In den wichtigsten Volkswirtschaften des Euroraums scheint sie ihren Höhepunkt nahezu erreicht zu haben. Die Verbraucher dürften also bald mit einer Entlastung rechnen. In Großbritannien dürfte die Teuerung Anfang 2022 noch steigen, weil die Verbraucher jetzt die höheren Energiepreise zu spüren bekommen. Zurzeit scheint es, als könnte die britische Inflation im Frühjahr mit 6% bis 7% ihren Höhepunkt erreichen und die Haushaltseinkommen stark belasten.


Aber natürlich sind die Annahmen zu den Energiepreisen vor allem angesichts des Krieges in der Ukraine keineswegs sicher. Auch kühleres Wetter in den nächsten Monaten könnte Energienachfrage und -preise steigen lassen.


Staatliche Unterstützung und bessere Arbeitsmärkte könnten helfen


Wenn die Energiepreise hoch bleiben, könnten zwei Dinge die Verbraucher entlasten. Erstens treffen die Regierung direkte Maßnahmen, um ihre Folgen für die privaten Haushalte zu mindern. Vor allem Frankreich und Italien sind hier sehr aktiv. Auch die neue Regierung in Deutschland denkt über entsprechende Unterstützung nach. Und Gerüchten zufolge wird auch die britische Regierung ihren Verbrauchern helfen, insbesondere Haushalten mit niedrigen Einkommen.


Ein weiterer Grund für meine Zuversicht, dass die Ausgaben steigen werden, ist die jetzt starke Erholung der europäischen Arbeitsmärkte. Dadurch dürften die Haushaltseinkommen zulegen. Während der Pandemie hatten die europäischen Regierungen Freistellungs- und Kurzarbeitsregelungen eingeführt. Sie sollten Einkommen und Beschäftigung schützen. Ganz anders in den USA: Hier zahlte der Staat Direkthilfen an die Haushalte aus. Dies ist auch eine Erklärung für die sehr unterschiedlichen Konsumausgaben diesseits und jenseits des Atlantiks in den letzten zwei Jahren. Aber dadurch konnte sich der europäische Arbeitsmarkt sehr schnell erholen, als die Wirtschaft wieder angelaufen ist.


Die europäischen Energiekosten sind explodiert

Household consumption chart

Stand 15. Dezember 2021. Quellen: Eurostat, ONS

Besonders augenfällig ist der Anstieg der Beschäftigung in Frankreich und Italien. Mittlerweile werden Arbeitskräfte knapp. Im Euroraum gibt es erste Anzeichen für einen Anstieg der verfügbaren Arbeitskräfte. Außerdem gehe ich davon aus, dass die Löhne 2022 steigen werden; auch dies dürfte die Haushaltseinkommen stützen, vor allem in Frankreich und Deutschland.


 


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Robert Lind ist Volkswirt bei Capital Group. Er hat 36 Jahre Investmenterfahrung und ist seit acht Jahren im Unternehmen. Vor seiner Zeit bei Capital war Lind Group Chief Economist bei Anglo American und davor Head of Macro Research bei ABN AMRO. Er hat einen Bachelor in Philosophie, Politik und Volkswirtschaft von der Oxford University. Er arbeitet in London.


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