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Japan
Yen-Einbruch bringt Bank of Japan in die Zwickmühle
Anne Vandenabeele
Economist
IM ÜBERBLICK
  • Es ist verständlich, dass die Bank of Japan keine straffere Geldpolitik und keine höheren Staatsanleihenrenditen will. Aber so kann es nicht bleiben.
  • Die Auswirkungen des schwachen Yen auf den Aktienmarkt unterscheiden sich von Sektor zu Sektor.
  • Japans Zentralbank hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie kann eine weitere Yen-Abwertung zulassen und damit Kaufkraftverluste hinnehmen – oder die Zinsen anheben und damit vermutlich die Konjunktur schwächen.

Der japanische Yen (JPY) ist gegenüber dem US-Dollar so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Grund ist die noch immer extrem lockere Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ), während andere Notenbanken ihre Zinsen allmählich anheben und ihre Wertpapierkäufe zurückfahren.


Zurzeit kostet ein US-Dollar 135 Yen. Maßgeblich für den Wechselkurs ist vor allem die Realzinsdifferenz zwischen den USA und Japan. Der Yen ist gewissermaßen das Opfer der unterschiedlichen Geldpolitik. Meiner Meinung nach wird er noch so lange abwerten, wie die BoJ an ihrer Zinsstrukturkurvensteuerung festhält und die Fed für steigende US-Realzinsen sorgt. Könnte der US-Dollar am Ende 150 Yen kosten? Vielleicht – aber das wäre sicherlich ein Negativszenario.


Yens plummet puts BOJ in a bind

Wachsender Druck auf die BoJ


Je mehr der Yen fällt, desto größer wird der Druck auf die japanische Notenbank. Erste Investoren spekulieren schon gegen ihre Zusage, stets so viele Zehnjahresanleihen zu kaufen, dass ihre Rendite nicht über 0,25% steigt. Bis jetzt hat sich die BoJ davon nicht beeindrucken lassen; ihre jüngste Sitzung brachte keine Änderung der Geldpolitik. Es ist verständlich, dass die Notenbank keine höheren Leitzinsen und Staatsanleihenrenditen will, denn noch immer ist die Inflation wesentlich niedriger als in vielen anderen Industrieländern. Und doch kann es so nicht bleiben. Die Yen-Schwäche führt zunehmend zum Inflationsimport und lässt die Reallöhne fallen.


Die Bank of Japan befindet sich in einer echten Zwickmühle. Keinesfalls soll man glauben, dass sie auf den Devisenmarkt reagiert. Irgendwann, so glaube ich, wird sie ihre Haltung ändern, aber erst muss sich der Yen etwas stabilisieren. Dann kann die BoJ den Eindruck erwecken, dass sie das Heft des Handelns in der Hand hält. Die Notenbank braucht ein Leitzinskonzept – und die nötige Glaubwürdigkeit, um es durchzusetzen.


Yields on Japanese Government bonds

Unterschiedliche Wirkungen eines schwächeren Yen


Die Auswirkungen des schwachen Yen auf den Aktienmarkt unterscheiden sich von Sektor zu Sektor. Große Exporteure wie Automobil- und Halbleiterhersteller profitieren in der Regel von einer schwachen Währung – aber jetzt vielleicht nicht mehr so stark, weil in den letzten Jahren viele Fabriken ins Ausland verlagert wurden Binnenorientierte Unternehmen und der Konsumgütersektor dürften eher verlieren.


Wenn die Yen-Abwertung außer Kontrolle gerät, rechne ich als erstes mit Devisenmarktinterventionen des japanischen Finanzministeriums. Es dürfte dann Yen kaufen. Aber das wäre dann wohl nur eine kurzfristige Notmaßnahme.


Die BoJ hat nicht viele Optionen


Nachhaltiger könnten Änderungen der Geldpolitik sein. Allerdings hat die BoJ die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie kann eine weitere Yen-Abwertung zulassen und damit Kaufkraftverluste hinnehmen – oder die Zinsen anheben und damit vermutlich die Konjunktur schwächen. Wenn die BoJ ihre Geldpolitik doch ändert, wird sie wahrscheinlich als erstes eine höhere Bandbreite für die Zehnjahresrendite zulassen. Sie könnten dann etwa um +/‒ 40 statt wie jetzt um +/‒ 25 Basispunkte schwanken Wenn das zur Währungsstabilisierung nicht reicht, könnte sie statt der Zehn- die Fünfjahresrendite steuern. Dann könnte ein leichter Anstieg der Zehnjahresrendite den Wechselkurs in die Nähe von 120 Yen je US-Dollar bringen. Zugleich würde sich der Abstand zwischen der Zehn- und der Fünfjahresrendite ausweiten. Schließlich wäre auch noch eine kleinere Leitzinserhöhung denkbar, vielleicht um 10 Basispunkte. Die japanische Negativzinspolitik könnte dann offiziell beendet werden. Das wäre ein wichtiges Symbol, was dem Yen vielleicht etwas helfen kann.


Und doch glaube ich, dass die Notenbank erst dann aktiv werden wird, wenn die Spekulationen gegen japanische Staatsanleihen aufhören und sie Änderungen der Geldpolitik makroökonomisch begründen kann. Keineswegs hätten wir es dann aber mit einer grundlegenden Wende zu tun. Die Geldpolitik würde nicht wirklich normalisiert – und sie würde schon gar nicht straff. Das schwache Trendwachstum und die niedrige Inflation erlauben eigentlich keine sehr viel höheren Zinsen. Und obwohl der Yen, gemessen an zahlreichen Kennziffern, außerordentlich günstig scheint, rechne ich erst dann mit einer Aufwertung, wenn sich fundamental Wesentliches ändert: Die amerikanischen Realrenditen dürften nicht weiter fallen oder in Japan müsste es zu einer echten Reflation kommen. Zurzeit scheint mir der Yen nur für Investoren interessant, die genau das auf Dauer erwarten – und die sich auch weiterhin sowohl gegen die Fed als auch gegen die BoJ stellen wollen.


1 Quelle: Factset USD = US-Dollar. JPY = japanischer Yen. Stand 5. Juli 2022.


2 Quelle: FactSet Interest Rates, Tullett Prebon Information, *SWX Swiss Exchange. Stand 5. Juli 2022



Anne Vandenabeele covers economic developments in the U.S. and Japan as an economist at Capital Group. She holds master's degrees in economics from Oxford and the University of Edinburgh.


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