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Marktvolatilität
US-Wirtschaft erlebt rollende Rezession
Jared Franz
Aktienportfoliomanager
Chris Buchbinder
Aktienportfoliomanager
Pramod Atluri
Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere

Was ist aus der weithin prognostizierten Rezession geworden, die die US-Wirtschaft in diesem Jahr treffen sollte? Sie ist eingetreten. Nur nicht in allen Sektoren gleichzeitig.


Verschiedene Wirtschaftssektoren wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten von Abschwüngen erfasst. Dieser seltene Fall einer „rollenden“ Rezession könnte dazu führen, dass die USA in diesem oder im nächsten Jahr keine traditionelle Rezession erleben, obwohl sie unter dem doppelten Druck einer hohen Inflation und hoher Zinsen stehen.


„Ich sehe immer mehr Anzeichen dafür, dass wir keine breit angelegte Rezession erleben“, so Jared Franz, Ökonom bei Capital Group. „Was wir stattdessen erleben, sind Mini-Rezessionen in verschiedenen Branchen zu verschiedenen Zeiten und ohne große Synchronität.“


Verschiedene Sektoren erlebten zu unterschiedlichen Zeiten Abschwünge

Quellen: Reisen: Capital Group, Transportation Security Agency (TSA), U.S. Department of Homeland Security. Bei den Daten handelt es sich um einen gleitenden 30-Tage-Durchschnitt. Stand: 26. Juli 2023. Halbleiter: Capital Group, Philadelphia Stock Exchange, Refinitiv Datastream. Stand 30. Juni 2023. Die Daten stellen die kumulative Kursrendite seit dem 1. Januar 2019 dar. Wohnungsbau: Capital Group, Refinitiv Datastream, Standard & Poor's. Mit Stand vom 27. Juli 2023, die letzten monatlichen Daten sind für Mai 2023 verfügbar. Verarbeitendes Gewerbe: Capital Group, Institute for Supply Management (ISM), National Bureau of Economic Research. Refinitiv Datastream. Die Zahlen spiegeln die saisonbereinigten Umfrageergebnisse des Einkaufsmanagerindex (PMI) des ISM für das verarbeitende Gewerbes wider. Ein PMI von über 50 Prozent deutet darauf hin, dass das verarbeitende Gewerbe im Allgemeinen expandiert; ein Wert von unter 50 Prozent deutet auf einen allgemeinen Rückgang hin. Stand 30. Juni 2023. Chemikalien: Capital Group, U.S. Federal Reserve, Refinitiv Datastream. Daten für 2017 auf 100 indexiert. Die Angaben sind saisonal angepasst. Stand 30. Juni 2023. Öl: Capital Group, Refinitiv. Stand: 26. Juli 2023. Die Ergebnisse der Vergangenheit sind kein Indikator für die Ergebnisse in zukünftigen Zeiträumen.

So ist beispielsweise der Wohnungsbau im vergangenen Jahr stark geschrumpft, nachdem die US-Notenbank mit aggressiven Zinserhöhungen begonnen hatte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2022 brachen die Verkäufe bestehender Eigenheime um fast 40 % ein.


„Jetzt scheint sich der Wohnungsmarkt zu erholen, während andere Bereiche der Wirtschaft, wie z. B. Gewerbeimmobilien, in eine Abwärtsspirale geraten“, erklärt Franz. „Da immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, sind die Aussichten für Büroimmobilien besonders problematisch.“


Auch die Halbleiterindustrie litt 2022 unter unterbrochenen Lieferketten und einer geringeren Nachfrage nach Computerchips. Dies führte zu einem Einbruch der Halbleiteraktien. In diesem Jahr hat sich das Geschäft stabilisiert, die Nachfrage steigt wieder und Halbleiteraktien führen eine Rally an den globalen Aktienmärkten an.


Lässt sich eine ausgewachsene Rezession vermeiden?


„Wenn sich diese Abschwünge und Erholungen fortsetzen“, erklärt Franz, „könnten wir in ein Umfeld geraten, in dem das US-Bruttoinlandsprodukt zu keinem Zeitpunkt im Jahr 2023 oder 2024 negativ wird, wodurch eine der am meisten erwarteten Rezessionen der Geschichte abgewendet werden könnte.


„Ich halte einen kurzen, milden Abschwung immer noch für möglich“, so Franz. „Aber wenn die Konsumausgaben nicht einbrechen, dann könnte diese weithin erwartete Rezession wie der böse Mann sein, der alle erschreckt hat, aber nie aufgetaucht ist.“


Tatsächlich meldete die US-Regierung kürzlich, dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal mit einer Jahresrate von 2,4 % gewachsen sei. Das lag deutlich über den Konsensschätzungen und über dem Wert von 2 % im ersten Quartal. Das überraschend starke Wachstum wurde von stabilen Konsumausgaben und einem starken Anstieg der Unternehmensinvestitionen getragen, die im Jahresvergleich um 7,7 % zulegten.


Die Stärke der Verbraucher und der Unternehmen hat auch zu einem boomenden Arbeitsmarkt beigetragen, auf dem viele neue Arbeitsplätze geschaffen wurden und die Arbeitslosenquote mit 3,6 % fast den niedrigsten Stand seit 50 Jahren erreicht hat. „Rezessionen gehen fast immer mit einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen einher“, sagt Franz, „und das ist derzeit nicht der Fall.“


Historisch starker Arbeitsmarkt stützt US-Wirtschaft   

Quellen: Capital Group, Bureau of Labor Statistics, Refinitiv Datastream, U.S. Department of Labor. Die Angaben sind saisonal angepasst. Stand 30. Juni 2023.

Und die inverse Zinsstrukturkurve?


Auf der anderen Seite der Rezessionsdebatte haben viele Ökonomen argumentiert, dass eine inverse Zinsstrukturkurve der zuverlässigste Indikator für eine Rezession ist, den wir haben. Im Moment scheint die inverse Zinsstrukturkurve – wenn die Renditen kurzfristiger Anleihen höher sind als die Renditen langfristiger Anleihen – eine Rezession anzukündigen. Und das schon seit über einem Jahr.


In den letzten 50 Jahren ging jeder US-Rezession eine inverse Zinsstrukturkurve voraus. Das derzeitige Zinsumfeld ist so invertiert wie seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr. Dieses starke Signal hat viele Ökonomen und Anleger an den Rentenmärkten davon überzeugt, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Rezession unvermeidbar ist.


Könnte diese Einschätzung falsch sein? Oder zumindest eine Fehleinschätzung des Rentenmarktes? „Ja“, so Pramod Atluri, Anleihenportfoliomanager.


Die hohe Inflation, die wir ebenfalls seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben, ist nach Ansicht von Atluri heute der bestimmende Faktor. Die Fed hat deutlich gemacht, dass die Inflationsbekämpfung ihre Priorität ist, und sie scheint ihr Ziel zu erreichen, die Preise wieder auf den Boden zu bringen. Die Inflation sank von 9,1 % vor einem Jahr auf 3 % im Juni – ein bemerkenswerter Rückgang in nur 12 Monaten.


Das bedeutet, dass die Fed in den kommenden Monaten die Zinsen senken könnte, nicht weil sie eine Rezession erwartet, sondern weil sie ihr erklärtes Ziel einer Inflationsrate von 2 % fast erreicht hat.


Ist eine inverse Zinsstrukturkurve kein verlässlicher Indikator für Rezessionen mehr?

Quellen: Capital Group, Bloomberg Index Services Ltd., National Bureau of Economic Research, Refinitiv Datastream. Stand 26. Juli 2023.

„Eine inverse Zinsstrukturkurve bedeutet, dass der Markt heute höhere und morgen niedrigere Leitzinsen erwartet. Mehr nicht“, fügt Aturi hinzu. „Die Zinsstrukturkurve deutet nicht auf eine bevorstehende Rezession hin. Sie sagt voraus, dass die Inflation in der Zukunft niedriger sein wird und dass die Fed daher in der Lage sein wird, ihren Zinserhöhungszyklus zu beenden.“


„Wenn die Inflation wieder auf 2 % sinkt, ist eine inverse Zinsstrukturkurve wiederum ein guter Indikator für ein rückläufiges Wirtschaftswachstum und ein steigendes Rezessionsrisiko“, sagt Aturi abschließend.


Wie wirkt sich eine weiche Landung auf Investitionen aus?


Viele Anleger haben ihre Portfolios eindeutig für eine Rezession positioniert, wie die massive Umschichtung in liquide Mittel in den letzten zwei Jahren zeigt. Laut dem Investment Company Institute belief sich das in solchen konservativen Anlagen gehaltene Vermögen zum 30. Juni auf über 5,4 Bio. USD.


Was aber, wenn statt der Rezession eine weiche Landung einsetzt? Welche Chancen ergeben sich für Anleger, die bereit sind, etwas mehr Risiko einzugehen?


„Zu Beginn des Jahres war ich sehr besorgt über eine Rezession“, so Chris Buchbinder, Aktienportfoliomanager. „Aber ich habe diese Erwartung heruntergeschraubt und würde sagen, dass die Wahrscheinlichkeit jetzt unter 50 % liegt.“


Diese Einschätzung hat Buchbinder dazu veranlasst, Investitionen in Unternehmen zu erwägen, die traditionell von Rezessionsängsten betroffen sind, sich aber als widerstandsfähig erwiesen haben – insbesondere in der Zeit der Erholung von der Pandemie. Vom Nachholbedarf profitierten beispielsweise viele Unternehmen aus der Reise- und Freizeitbranche sowie der Luft- und Raumfahrt.


Halbleiter, Chemikalien und Öl sind angesichts ihrer jüngsten Schwierigkeiten und der zunehmenden Anzeichen einer Trendwende ebenfalls interessant.


Der Sektor Reiseverkehr und Freizeit legt zu, während Gewerbeimmobilien sinkt

Quellen: Capital Group, Standard & Poor's, Refinitiv Datastream. Ein Real Estate Investment Trust (REIT) ist ein Unternehmen, das ertragsgenerierende Immobilien besitzt, betreibt oder finanziert. Stand 25. Juli 2023. Die Ergebnisse der Vergangenheit sind kein Indikator für die Ergebnisse in zukünftigen Zeiträumen.

„Die Rezession war wie Godot. Wir haben alle darauf gewartet“, so Buchbinder. „Aber diese Angst führte dazu, dass sich viele Unternehmen in Erwartung eines Abschwungs zurückzogen. Die Fed begann mit der Anhebung der Zinssätze. Und nun gibt es weniger Ungleichgewichte in der Wirtschaft. Es gibt also weniger Dinge, die ab hier schiefgehen können.“


„In diesem Umfeld“, fügte er hinzu, „konzentriere ich mich zunehmend auf Branchen, eine weitere wirtschaftliche Schwäche ausschließen, die vielleicht nie eintreten wird.“



Jared Franz ist Aktienportfoliomanager und hat 18 Jahre Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat an der University of Illinois in Chicago in Wirtschaftswissenschaften promoviert und hat einen Bachelor in Mathematik von der Northwestern University.

Chris Buchbinder ist Aktienportfoliomanager und hat 28 Jahren Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat einen Bachelor in Volkswirtschaft und Internationalen Beziehungen von der Brown University.

Pramod Atluri ist Anleihenportfoliomanager und hat 20 Jahre Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat einen MBA von der Harvard University, einen Bachelor von der University of Chicago und ist Chartered Financial Analyst (CFA).


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