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5 Gründe für Optimismus in Bezug auf die Aussichten für Schwellenmarktanleihen
Kirstie Spence
Portfolio Manager

1.  Die Inflation ist in den Schwellenländern zwar weiterhin hoch, sie ist jedoch weitgehend unter Kontrolle


Die höhere Inflation und bisweilen auch steigende Inflationserwartungen waren im Jahr 2021 ein großes Thema – nicht nur in den Industrieländern, sondern auch in den Schwellenmärkten Die Beschleunigung der Inflation in den Schwellenländern ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Basiseffekte des Schocks durch die Pandemie, Lieferengpässe, hohe Rohstoffpreise (die Lebensmittelpreise tragen in den Schwellenländern wesentlich mehr zur Inflation bei als in den Industrieländern), in einigen Fällen schwache Wechselkurse und eine Erholung der Binnennachfrage. 


Die Gesamtinflation in den Schwellenländern ist gestiegen


Gesamt- und Kerninflation in den Schwellenländern1


Stand 30. September 2021. Quelle: Haver. Die Gesamtinflation umfasst die gesamte Inflation in der Wirtschaft auf der Grundlage eines Warenkorbs von Waren und Dienstleistungen, die von einer durchschnittlichen Familie verbraucht werden. Die Kerninflation bezeichnet hingegen die Gesamtinflation ohne die volatileren Posten wie Lebensmittel und Energie. 


Basiseffekte, Lieferengpässe und Rohstoffpreise dürften sich im Laufe der Zeit einpendeln, sodass in den nächsten Jahren mit einer größeren Wechselkursstabilität in den Schwellenländern gerechnet werden kann. Zu den längerfristigen Faktoren, die beobachtet werden müssen, gehören die Erholung der Binnennachfrage und eine eventuelle Änderung der Inflationserwartungen.  


Die Schwellenländer haben zusammen mit den Industrieländern durch die Pandemie einen starken Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlebt, der wiederum große Produktionslücken hinterlassen hat. Darüber hinaus ist die Erholung in den Schwellenländern deutlich hinter der in den Industrieländern zurückgeblieben, was zum Teil auf geringere pandemiebedingte finanzpolitische Maßnahmen zurückzuführen ist.  Eine schwache Konjunkturerholung geht in der Regel mit konjunkturbedingt niedrigeren Inflationsraten einher.


Die Geldpolitik spielt eine wichtige Rolle für die längerfristige Inflationsdynamik, insbesondere für die Inflationserwartungen. Im Durchschnitt haben die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinssätze im Vergleich zu den Zentralbanken der Industrieländer proaktiv erhöht – trotz schwacher Bedingungen im Inland. Eine restriktivere Finanzpolitik im Inland dürfte dazu beitragen, die Inflation zu bekämpfen, indem die Inlandsnachfrage gedämpft und eine Abwertung der Währung verhindert wird. 


2.  Globales Wachstum – dürfte sich weiter verlangsamen, dabei jedoch über dem Trend bleiben


Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für 2022 ein Wachstum der Weltwirtschaft von 4,9 % und damit eine Abschwächung gegenüber 5,9 % im Jahr 2021. Dies ist weitgehend auf die schwächere Konjunktur in den Industrieländern zurückzuführen, vor allem auf Unterbrechungen der Lieferkette und Beschränkungen im Zusammenhang mit dem Virus. Das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern hat sich dagegen als relativ widerstandsfähig gegenüber neuen Varianten des Virus und anhaltenden Lieferengpässen erwiesen.


Das Wachstum der Schwellenländer wird im Jahr 2022 voraussichtlich relativ robust bleiben


IWF-Prognose für das reale BIP-Wachstum für 2022


Nur zur Illustration.
Stand 31. Oktober 2021. Quelle: IWF. Reales Bruttoinlandsprodukt (BIP): eine inflationsbereinigte Kennzahl, die den Wert aller Waren und Dienstleistungen widerspiegelt, die von einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Jahr produziert werden. YoY: Im Vergleich zum Vorjahr.


Allerdings gibt es auch innerhalb der Schwellenländer erhebliche Unterschiede. Die Länder, die sich in einem früheren Stadium der Wiedereröffnung der Wirtschaft befinden (z. B. Indien) und die Rohstoffexporteure dürften im Allgemeinen ein schnelleres Wirtschaftswachstum verzeichnen, während die Länder, die in diesem Prozess weiter fortgeschritten sind (z. B. Mexiko), eher mit einer Verlangsamung des Wachstums rechnen müssen. Insbesondere in Lateinamerika (vor allem in Brasilien) dürfte das Wachstum angesichts der Geschwindigkeit der Straffung der Geldpolitik im Jahr 2021 deutlich langsamer ausfallen. Unterdessen dürfte sich das Wachstum in Mittel- und Osteuropa stärker erholen, da es von den umfangreichen EU-Transferleistungen profitiert.


China war eines der ersten Länder, das nach dem Beginn von COVID-19 die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder aufnahm und den größten Teil der Wiederbelebung seines Wirtschaftswachstums Ende 2020 oder Anfang 2021 verzeichnen konnte. Die Abschwächung der Konjunktur in China fiel im Jahr 2021 stärker aus als erwartet, was auf eine Normalisierung der Finanz- und Geldpolitik Ende 2020 und eine Änderung des Regulierungssystems vor allem im Jahr 2021 zurückzuführen ist. Dies beinhaltete auch Änderungen bei den Bestimmungen für die Bereiche Technologie und Wohnungspolitik. 


3.  Haushaltssalden und Außenhandelsbilanzen sind auf einem überschaubaren Niveau


Haushaltssalden


Nach einem Jahrzehnt mit schwachem Wachstum, stagnierendem Handel und fallenden Rohstoffpreisen waren die Schwellenländer angesichts der Pandemie gezwungen, ihre Haushaltsausgaben drastisch zu erhöhen. Die Haushaltsdefizite sind im Vergleich zu früheren Höchstständen in den Schwellenländern nach wie vor höher und die öffentliche Verschuldung steigt weiter an. Allerdings liegt sie nach wie vor deutlich unter dem Niveau der Industrieländer und bleibt überschaubar. Eine höhere Staatsverschuldung kann in den fiskalisch anfälligeren Ländern zu höherer Inflation, niedrigeren Anleiherenditen und schwächeren Währungen führen.


Außenhandelsbilanzen


Positiv zu vermerken ist, dass sich die Leistungsbilanzdefizite (d. h. der Gesamtwert der von einem Land importierten Waren und Dienstleistungen übersteigt den Gesamtwert der exportierten Waren und Dienstleistungen) in vielen Schwellenländern verbessert haben. COVID-19-bedingte Beschränkungen haben sich in den Schwellenländern stärker auf die Inlandsnachfrage ausgewirkt als in den Industrieländern, da die Industrieländer in der Lage waren, umfangreiche fiskalische Anreize zu setzen. Unterbewertete Wechselkurse haben der Wettbewerbsposition der Schwellenländer geholfen. Dies könnte sich 2022 in den nicht rohstoffexportierenden Schwellenländern ändern, wenn sich die Inlandsnachfrage erholt und die COVID-19-bedingten Einschränkungen gelockert werden. Dennoch dürften die Leistungsbilanzdefizite kein größeres politisches Problem darstellen, da die Schwellenländer mit ihren höheren Verzinsungen ihre Leistungsbilanzdefizite deutlich unter dem Niveau von 2013 (und von vor der Pandemie) halten dürften und der erwartete Aufschwung des Tourismus die Positionen der Schwellenländer stützen dürfte.  


4.  Weniger günstiges Liquiditätsumfeld, Zinserhöhungen dürften jedoch schrittweise erfolgen


Es wird erwartet, dass die Zentralbanken der Industrieländer die geldpolitische Expansion im Jahr 2022 zurückfahren werden. Zuvor hatte die US-Notenbank (Fed) argumentiert, dass sie den Anstieg der Inflation als vorübergehend ansieht. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sie von dieser Haltung abrückt, da sich der zunehmende Preisdruck auf die längerfristigen Erwartungen auszuwirken scheint. Sollte dies der Fall sein, könnte die Fed unserer Meinung nach stärkere, aber immer noch maßvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation ergreifen. Die Europäische Zentralbank hat ihren Hauptrefinanzierungszinssatz seit März 2016 bei Null gehalten und wird die Zinsen in absehbarer Zeit wohl nicht anheben.


Im Vergleich zu vielen Industrieländern wurde in vielen Schwellenländern eine eher orthodoxe Geldpolitik verfolgt. Der Grund dafür liegt darin, dass die meisten Zentralbanken der Schwellenländer nicht über die nötige Flexibilität und das Vertrauen der Märkte verfügen, um umfangreiche quantitative Lockerungsmaßnahmen zu ergreifen. Jetzt, da sich die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder erholt haben und die Inflation spürbar ist, haben viele Zentralbanken der Schwellenländer bereits mit dem Zinserhöhungszyklus begonnen. Hierzu gehören die meisten Zentralbanken Lateinamerikas und der CEEMEA-Länder (Mittel- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika) (mit Ausnahme der Türkei), und dies dürfte sich auch 2022 fortsetzen, mit der möglichen Ausnahme Chinas zum gegenwärtigen Zeitpunkt.


5.  Schwellenmarktanleihen – höhere Attraktivität von Lokalwährungsanleihen, allerdings mit Augenmaß bei der Auswahl


Lokalwährungsanleihen


Die Straffungszyklen der US-Geldpolitik haben in der Vergangenheit im Allgemeinen Druck auf die Volkswirtschaften der Schwellenländer ausgeübt. Dies war auch ein Faktor für die Volatilität der auf Lokalwährungen lautenden Schwellenmarktanleihen im Jahr 2021, wobei sich die Schwankungen bei der Einpreisung des Zeitpunkts und des Tempos der geldpolitischen Normalisierung in den USA auf die Lokalwährungsanleihen auswirkten. Auf Lokalwährungen lautende Schwellenmarktanleihen werden tendenziell abverkauft, wenn Zinserhöhungen der Fed eingepreist werden, sie bewegen sich jedoch oft nicht oder entwickeln sich in die andere Richtung, sobald die Fed Zinserhöhungen durchführt. Dies deutet darauf hin, dass ein Großteil der negativen Auswirkungen der Fed-Maßnahmen hinter uns liegen könnte, es sei denn, die Märkte schätzen weitere Zinserhöhungen neu ein und/oder ziehen die Erwartungen für Zinserhöhungen vor. Allerdings könnten die Schwellenmarktanleihen durch steigende Inflation und Haushaltsdefizite unter Druck geraten.


Die tatsächliche Höhe der Zinsdifferenz zu den USA muss ebenfalls auf einem bestimmten Niveau gehalten werden, um die Anleger für das Länderrisiko zu entschädigen. Diese Zinsdifferenz war 2020 niedrig und hat sich 2021 vergrößert, nachdem die Zentralbanken der Schwellenländer vor den Zentralbanken der Industrieländer begonnen haben, die Zinssätze anzuheben, insbesondere in den Schwellenländern mit höheren Verzinsungen. Im Vergleich zu den entwickelten Märkten gibt es jetzt einen erheblichen Realzinsaufschlag, der eine Bewertungschance bietet.


Zinssatzdifferenz (Schwellenländer minus Industrieländer)1


Stand der Daten 1. November 2021. Quelle: Bloomberg


Auslandsschulden


Die Auslandsverschuldung der Schwellenländer (d. h. der Teil der Schulden eines Landes, der bei ausländischen Kreditgebern aufgenommen wurde) wird tendenziell weniger vom Zeitpunkt der Zinserhöhungen der Fed beeinflusst. Wenn diese Erhöhungen mit einem starken Wachstum einhergehen, kommt es häufig zu einer Verengung der Kreditspreads in den Schwellenländern. Steigen die US-Zinsen jedoch über ein bestimmtes Niveau, kann sich dies auf den Außenfinanzierungsbedarf der Schwellenländer auswirken. In Anbetracht der derzeit niedrigen Zinssätze halten wir dies nicht für ein unmittelbares Risiko.


Die Kreditspreads sind bei den festverzinslichen Wertpapieren generell eng, auch bei auf US-Dollar lautenden Schwellenmarktanleihen. Dies bedeutet einen geringeren Aufschlag für Anleger, die ein Kreditrisiko eingehen. Dennoch sehen wir in einigen Bereichen der Auslandsverschuldung, einschließlich einiger höher verzinslicher Emittenten, weiterhin Potenzial. 


Unsicherheiten liegen vor uns


Die Entwicklung des Virus, seiner Varianten und die Reaktion der Regierungen sind eindeutig ein entscheidender Risikofaktor.


Die Inflation ist eine der größten Unsicherheiten für das Jahr 2022. Günstigere Inflationsaussichten, die durch ein Nachlassen der Lieferengpässe begünstigt werden könnten, würden es der Fed ermöglichen, die Zinssätze länger unverändert zu belassen. Dies könnte eine Kombination aus Desinflation und starkem Wachstum ermöglichen, was Schwellenmarktanlagen zugute kommen könnte. Sollte sich die Inflation jedoch als hartnäckiger erweisen als erwartet, könnte die Fed die Zinsen früher/stärker als erwartet anheben, was Abwärtsrisiken für die Schwellenmarktanleihen birgt. 


Eine weitere Ungewissheit ist die Änderung des politischen Kurses in China und der Übergang zu einem qualitativ hochwertigeren Wachstum, insbesondere aufgrund der Bedeutung des Landes für die globale Nachfrage und die Lieferketten. Die Anleger wurden zwar verständlicherweise durch die Flut von regulatorischen Änderungen im Jahr 2021 verunsichert. Sie müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass regulatorische Zyklen in China nicht ungewöhnlich sind und dass politische Risiken bei Investitionen in Schwellenländern immer berücksichtigt werden sollten.


Schließlich besteht das Risiko politischer Unsicherheiten. Vor allem Lateinamerika hat nach Jahren niedrigen Wachstums, gefolgt von der Pandemie, zunehmende soziale Spannungen zu verzeichnen. In Kolumbien und Brasilien stehen im Jahr 2022 Präsidentschaftswahlen an - beide Länder haben 2021 unter dem Druck der Märkte gelitten und Kolumbien hat sein Investment-Grade-Rating von zwei Ratingagenturen verloren. In Mexiko wird möglicherweise ein Abberufungsreferendum über Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) abgehalten. Argentinien wird seine Schuldenverhandlungen mit dem IWF fortsetzen. Außerhalb Lateinamerikas stehen 2022 in Ungarn, Indien und Kenia Wahlen an. 



Kirstie Spence is a fixed income portfolio manager at Capital Group. She also serves on the Capital Group Management Committee. She has 28 years of investment industry experience, all with Capital Group. She holds a master’s degree with honors in German and international relations from the University of St. Andrews, Scotland. Kirstie is based in London.


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