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Märkte & Wirtschaft
Bleiben die Rohstoffpreise dauerhaft hoch?
Lisa Thompson
Aktienportfoliomanagerin
Douglas Upton
Aktienanalyst
Stephen Green
Economist

Ein Blick auf die Nickelmärkte zeigt, wie volatil Rohstoffe zurzeit sind. Anfang März haben sich die Preise verdoppelt. Dann brachen sie ein. Danach stellte die London Metals Exchange den Handel ein. Diese Woche wurde der Markt für Nickel, eine wichtige Komponente für Batterien für Elektrofahrzeuge und Edelstahlprodukte, wieder geöffnet, aber der Handel ist noch immer stark eingeschränkt.


Dies ist nur ein Beispiel dafür, welche Störungen der Weltwirtschaft die Invasion Russlands in die Ukraine auslöst. Etwa 20% des weltweit benötigten Nickels kommen aus Russland. Der drohende Wegfall dieser Quelle hat für Turbulenzen an den Handelsmärkten gesorgt, sodass die Käufer sich dringend nach anderen Quellen umsahen.


Russland-Ukraine-Konflikt: Rohstoffpreise schießen in die Höhe

Quellen: Capital Group, London Metal Exchange, Refinitiv Datastream, U.S. Department of Agriculture. Stand 16. März 2022.

Seit der Invasion am 24. Februar sind die Rohstoffpreise enorm gestiegen, vor allem die von Grundstoffen aus Russland und der Ukraine. Dazu zählen Weizen, Öl und Erdgas, aber auch wichtige Metalle wie Aluminium, Palladium und Kupfer.


Aber die Preise hatten schon lange vor dem Krieg angezogen und dazu beigetragen, dass die Inflation so hoch ist wie zuletzt in den frühen 1980er-Jahren. Die wichtigste Frage für Investoren ist deshalb: Bleiben die Preise so hoch?


„Nicht so hoch wie zuletzt“, sagt Portfoliomanagerin Lisa Thompson. „Die Märkte haben überreagiert. Die Rohstoffpreise sind bereits wieder etwas gefallen. Aber sie sind noch immer deutlich höher als noch vor einem Jahr – und ich denke, dass das auch auf Dauer so bleiben wird.“


„Langfristig“, ergänzt sie, „dürften sie aus mehreren Gründen erhöht bleiben. Dazu gehören die steigende Nachfrage, Lieferengpässe und Deglobalisierungstrends, die sich an Ereignissen wie dem Krieg in der Ukraine und den belasteten Beziehungen zwischen den USA und China festmachen lassen. In einer Welt mit einem weniger freien und offenen Handel dürften die Preise höher sein.“


Gute Aussichten für die Metallbranche


Aus Investmentsicht spricht dies ganz klar für den Sektor Bergbau und & Metalle, der über zehn Jahre wenig beachtet wurde – vielleicht sogar noch länger, wenn man den letzten starken Anstieg während der internationalen Finanzkrise 2008 ausklammert.


„Der Sektor ist seit Jahren unterbewertet, trotz der jüngsten Rallye“, sagt Douglas Upton, Aktienanalyst bei der Capital Group, der sich seit über 30 Jahren mit den Rohstoffmärkten befasst. Nach seiner Ansicht bleiben die Preise vieler Rohstoffe in den nächsten Jahren hoch, weil die Branche seit 2015 zu wenig investiert hat. Verstärkt werde dieses Problem dadurch, dass Bergbauprojekte heute nicht mehr so schnell gestartet werden könnten wie früher.


„Das dauert Jahre“, erklärt Upton. „Die Entdeckung, die Genehmigungsprozesse, die Förderung – alles dauert heute viel länger. Bis neue Investitionen etwas abwerfen, werden die Höchststände der Preise höher und die Tiefststände niedriger sein.“ Bei Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen sei das anders, weil man deren Produktion schneller hochfahren könne, sagt Upton.


„Aus meiner Sicht sind alle großen Bergbaugesellschaften unterbewertet. Der Markt denkt nicht gut genug über die Folgen des Investitionsstaus nach. Bewertungen und Konsensschätzungen spiegeln einen Rückgang der Rohstoffpreise in den nächsten Jahren und eine Annäherung an ihren langfristigen Durchschnitt wider. Ich halte das für falsch.“


Ein typisches Beispiel: Betrachten wir die Marktkapitalisierung der sieben größten Bergbauunternehmen weltweit. Selbst zusammen ist ihr Marktwert nicht annähernd so hoch wie der eines New-Economy-Unternehmens wie Tesla. Aber der Autobauer braucht bestimmte veredelte Metalle für die Herstellung seiner Lithium-Ionen-Batterien, darunter Nickel. Und zwar so sehr, dass Elon Musk, CEO von Tesla, schon lange vor der Invasion Russlands in die Ukraine sagte, dass der Zugang zu Nickel eine seiner größten Sorgen im Zusammenhang mit der Produktion sei.


Bergbauunternehmen sind maßgeblich für die Weltwirtschaft, und bleiben trotzdem unbeachtet

Quelle: RIMES Stand 16. März 2022. Bergbauunternehmen (absteigend geordnet nach Größe): BHP, Rio Tinto, Vale, Glencore, Freeport, Anglo American und Newmont.

„Neben dem Investitionsstau könnte noch ein weiterer Faktor die Rohstoffpreise langfristig in die Höhe treiben – die weltweiten Anstrengungen, nachhaltige Energiequellen zu nutzen“, so Upton weiter. Vor allem Strom ist beliebt. Der Ausbau der Stromnetze – und die schnelle Verbreitung von Elektrofahrzeugen – benötigt viel Kupfer, Nickel und andere wichtige Stoffe.


China: Ein Gegengewicht zu den steigenden Preisen?


Die nachlassende Wirtschaft Chinas könnte ein Gegengewicht zu den steigenden Preisen sein. Als der weltweit größte Rohstoffimporteur gehen über die Hälfte des globalen Angebots an Eisenerz, Kohle und Kupfer nach China.


Weil China enge Handelsbeziehungen zur Europäischen Union hat, könnte es hier sogar zu einer Rezession kommen, wenn der Ukrainekrieg andauert. Außerdem steigen in China die Coronazahlen wieder. Auch das könnte die Wirtschaft belasten, weil die Regierung Reisen und Freizeitaktivitäten erneut einschränkt.


„Selbst vor dem jüngsten COVID-19-Ausbruch war die chinesische Wirtschaft rückläufig oder zumindest sehr schwach“, sagt Stephen Green, Volkswirt bei der Capital Group, verantwortlich für Asien. „Der Wendepunkt ist vermutlich noch nicht erreicht, und wenn es zu einer recht tiefen Rezession kommt, könnten die Rohstoffpreise fallen.“


Vermutlich werde die chinesische Zentralbank die Zinsen bald senken, während andere Zentralbanken gerade die andere Richtung einschlügen, merkt Green an. 


Auswirkungen für Investoren: Inflationsschutz


Unabhängig davon, wie sich die Märkte ab jetzt entwickeln, zeigt der aktuelle Preisanstieg einmal mehr, dass Rohstoffe ein guter Schutz gegen Inflation sind. Das ist keine Überraschung, weil Basisrohstoffe wie Öl und Gas in vielen Bereichen der Weltwirtschaft benötigt werden und die Inflation in die Höhe treiben können. Zurzeit ist die Teuerung so hoch wie zuletzt vor 40 Jahren.


In der Vergangenheit hat sich Energie, vor allem Öl, immer quasi parallel zur Inflation (gemessen am US-Verbraucherpreisindex) entwickelt. Weil Öl große Anteile an den Rohstoffindizes hat, ist die langfristige Korrelation zwischen Rohstoffpreisen und Inflation hoch.


Keine Überraschung: Rohstoffe bieten guten Schutz gegen Inflation

Quellen: Capital Group, Bureau of Labor Statistics, Refinitiv Datastream, Standard & Poor's, U.S. Department of Labor. Daten vom 31. Januar 1989 bis zum 28. Februar 2022.

Wichtig ist aber auch, dass es große Unterschiede zwischen den Rohstoffarten gibt. Öl und Gas, Metalle, Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte haben oft unterschiedliche Zyklen.


„Investoren, die sich gegen Inflation schützen wollen, sollten das nicht vergessen“, sagt Jared Franz, Volkswirt bei der Capital Group. „Alles hängt davon, was die Inflation treibt“, meint er.


„Wenig überraschend entwickelt sich der Energiesektor in der Regel gut, wenn die Inflation steigt, weil steigende Energiepreise, vor allem für Treibstoff, leicht an den Verbraucher weitergegeben werden können. Für andere Rohstoffe gilt das nicht unbedingt. Hier werden Preissteigerungen oft in der Wertschöpfungskette abgefangen.“



Lisa Thompson ist eine Aktienportfoliomanagerin mit 30 Jahren Anlageerfahrung. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Mathematik der University of Pennsylvania und ist als CFA zugelassen.

Douglas Upton ist Aktien-Analyst bei der Capital Group und für das Research in Bezug auf globale Metall- und Bergbauunternehmen zuständig. Er verfügt über 32 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche und ist seit 16 Jahren bei Capital Group tätig. Früher in seiner Laufbahn bei Capital war er auch für kanadische Banken zuständig und leitete das europäische Research. Er verfügt über einen MBA und einen Bachelor in Mathematik und Physik der University of Western Australia. Douglas Upton arbeitet in London.

Stephen Green is an economist covering Asia. He has 16 years of investment industry experience. He holds a PhD in government from the London School of Economics and an honors degree from Cambridge. 


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