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Marktvolatilität
EU-Politiker könnten versuchen, den Schock für die Wirtschaft abzumildern
Robert Lind
Volkswirt

Russlands militärischer Angriff der Ukraine ist der erste Krieg auf europäischem Boden seit Generationen. Millionen von Menschen sind betroffen, und eine enorme humanitäre Krise steht bevor, weil viele gefährdete Ukrainer Schutz suchen oder ihre Heimat verlassen. Die Verschärfung und Ausbreitung des Konflikts ist bestürzend und sorgt für großes Leid der Menschen.


In diesem Artikel geht es um die möglichen Folgen des Konflikts für Märkte und Konjunktur.


Fiskalpolitik: Ich gehe davon aus, dass die europäischen Regierungen ihre Volkswirtschaften angesichts des Schocks mit fiskalpolitischen Maßnahmen stützen werden. Andere Regierungen könnten dem französischen Ansatz folgen. Dort wurde der Gaspreis für private Verbraucher festgeschrieben. Das ist zwar teuer, würde aber die Auswirkung höherer Energiepreise auf die Inflation und die realen Haushaltseinkommen abfedern. Möglich wären auch staatliche Hilfen für Unternehmen, die viel Gas benötigen.


Wie in der Pandemie wird die staatliche Unterstützung vermutlich von den Länderregierungen angestoßen. Sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Italiens Premierminister Mario Draghi sagten, Europa müsse solidarisch handeln. Angesichts des Ausmaßes des Schocks, wird die EU vermutlich ihre Haushaltsregeln in diesem Jahr erneut aussetzen. Möglicherweise wird man auch über eine Verlängerung oder Ausweitung des Wiederaufbaufonds, der gemeinsamen finanzpolitischen Antwort auf die Pandemie. Außerdem überdenkt die EU ihre Energiesicherheit und die Energiewende. Vielleicht kommt sie zu dem Schluss, dass solche Investitionen eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit erfordern.


Zentralbankpolitik: Die EZB und die Bank of England müssen entscheiden, ob sie ihre geplante geldpolitische Straffung um jeden Preis umsetzen wollen. Bei einem durch hohe Energiepreise ausgelösten Inflationsschock könnten sie in ein Dilemma geraten. Üblicherweise würden die Zentralbanken über einen solchen handelsbedingten Schock hinwegsehen, aber sie werden sich auch an die Ölschocks der 1970er-Jahre erinnern. Ich gehe davon aus, dass beide Zentralbanken angesichts der extremen Unsicherheit im Zusammenhang mit Umfang und Dauer des derzeitigen Schocks sehr vorsichtig vorgehen werden.


Gaslieferungen: Eine weitere Eskalation der Spannungen könnte Russland dazu veranlassen, die Gaslieferungen in die EU zu drosseln. Möglich sind auch Importrestriktionen seitens der EU. Die EU hat Gas auf Lager und könnte mehr Flüssiggas kaufen, um diesen Winter durchzuhalten. Dennoch könnten Länder mit einem sehr hohen Gasverbrauch (Deutschland und Italien) schlimmstenfalls gezwungen sein, das Gas für ihre Schwerindustrie zu rationieren. Das würden einen weiteren Wirtschaftsschock auslösen. Großbritannien importiert vergleichsweise wenig Gas, vor allem aus Norwegen. Aber das Land könnte unter höheren Preisen leiden, wenn Norwegen sein Gas auch an die EU liefert.



Robert Lind ist Volkswirt bei Capital Group. Er hat 36 Jahre Branchenerfahrung und ist seit sieben Jahren im Unternehmen. Zuvor war er Group Chief Economist bei Anglo American und davor Leiter Macro Research bei ABN AMRO. Er hat einen Bachelor in Philosophie, Politik und Volkswirtschaft (PPE) von der Universität Oxford. Lind arbeitet in London. 


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