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Die Kurse von Emerging-Market-Anleihen sind gefallen – ist jetzt ein günstiger Einstiegszeitpunkt?
Harry Phinney
Investment Director für Anleihen

Der Russland-Ukraine-Konflikt, der enorme Anstieg der Rohstoffpreise und die weltweit anziehende Inflation haben Fragen zu den Aussichten für Emerging-Market-Anleihen aufgeworfen. Aktuellen Prognosen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zufolge lässt das globale Wachstum nach. Zudem scheint die US Federal Reserve ihren Zinserhöhungszyklus zu beschleunigen.


Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Assetklasse unter Druck gerät. Aber hat der Pessimismus bereits seinen Höhepunkt erreicht, sodass die Risiken jetzt schon weitgehend eingepreist sind? Und ist jetzt, da die durchschnittliche Rendite der Emerging-Market-Indizes zwischen 6% und 7% liegt, ein guter Einstiegszeitpunkt?


Der Markt für Emerging-Market-Anleihen ist heterogen und erfordert individuelle Analysen von Staatsanleihen und Credits. Das Research unseres Investmentteams zeigt, dass viele Schwellenländern heute in einer besseren Verfassung sind als früher. Deshalb ist ein vorsichtiger Optimismus für die Assetklasse gerechtfertigt. Im Folgenden beschreiben wir einige allgemeine Trends, die diese These stützen.


Gute Reaktion auf die steigende Inflation


Viele Emerging-Market-Zentralbanken haben ihre Leitzinsen in diesem Zyklus viel früher erhöht als ihre Industrieländer-Pendants. Die Politik weiß sehr genau, welche Konsequenzen eine dauerhaft hohe Teuerung für die Wirtschaft hat, weil sie damit schon früher häufig zu tun hatten. Weil die Inflation in den Schwellenländern von volatilen Faktoren wie Nahrungsmittel und Energie bestimmt wird, haben die Zentralbanken hier mehr dafür getan, ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen und zu vermeiden, dass die Inflationserwartungen außer Kontrolle geraten. Außerdem haben die höheren Zinsen Emerging Markets davor geschützt, dass es zu Kapitalabflüssen kommt, wenn die Fed beginnt, ihre Zinsen anzuheben. 


Viele Emerging Markets haben ihre Leitzinsen sehr stark angehoben

EMD-Policy-Rates

Quelle: Bloomberg. Stand: 27. April 2022.

In einigen Ländern sind die Bewertungen ein guter Ausgleich für die erhöhte Teuerung.


In einer Reihe von Emerging Markets scheinen auch die nominalen und realen Renditen einen fairen Ausgleich für die höhere Inflation zu bieten. Die Zinsunterschiede zwischen Schwellenländern und Industriestaaten sind (sowohl nominal als auch real) auf ihre langfristigen Durchschnitte zurückgegangen, und Emerging-Market-Währungen scheinen unterbewertet.


Die Renditen von EM-Lokalwährungsanleihen/EM-Hartwährungsanleihen sind höher als die Renditen von US-Core-Anleihen.

EMD-Maturity

Quellen: J.P. Morgan, Bloomberg. USD-EM-Anleihen gemessen am J.P. Morgan Emerging Markets Bond Index (EMBI) Global Diversified; EM-Lokalwährungsanleihen gemessen am J.P. Morgan Government Bond Index — Emerging Markets (GBI-EM) Global Diversified, US-Core-Anleihen gemessen am Bloomberg U.S. Aggregate Index. Stand: 31. März 2021.

Angesichts der rückläufigen Bewertungen und der steigenden Renditen, dürften sich mögliche negative Folgen in einigen Ländern bereits in den Kursen widerspiegeln, zumindest teilweise. Die Abbildung unten zeigt, dass die Zweijahreserträge in der Vergangenheit bei Renditen von mindestens 6,7% positiv waren. Die aktuelle Rendite einer Benchmark, die jeweils zur Hälfte aus Emerging-Market-Lokal- und Hartwährungsanleihen besteht, liegt bei etwa 7,07% (Stand 29. April 2022). Hohe Anfangsrenditen können helfen, bevorstehende Kursschwankungen auszugleichen. Zudem signalisieren wie möglicherweise einen attraktiven Einstiegszeitpunkt für Investoren, die ihrem Portfolio Anleihen hinzufügen möchten, die hohe laufende Erträge in Aussicht stellen. 


Die Renditen von Emerging-Market-Anleihen sind gefallen und die Fundamentaldaten scheinen stabil

EMD Sovereign

Quelle: Bloomberg, J.P. Morgan, Morningstar. Stand: 5. April 2022. Yield to Worst und hervorgehobene erwartete Erträge einer Benchmark, die zu jeweils 50% aus dem J.P. Morgan EMBI Global Diversified Index (Hartwährungsindex) und dem J.P. Morgan GBI-EM Global Diversified Index (Lokalwährungsindex) besteht. Renditespitzen am: 31. Mai 2021, 30. September 2015, 31. Dezember 2015, 31. Oktober 2018, 30. November 2018, 31. Dezember 2018. Erwartete Erträge auf Grundlage der annualisierten Erträge. EM: Emerging Markets YTW: Yield to Worst. Die Yield to Worst ist die niedrigste Rendite, die erzielt werden kann, wenn die Anleihe entweder vom Emittenten oder vom Gläubiger gekündigt (Call oder Put) oder bis zur Fälligkeit gehalten wird. Call/Put beziehen darauf, dass einige Anleihen von ihrem Emittenten frühzeitig zurückgezahlt oder vom Gläubiger vorzeitig zurückgefordert können.

Bessere Zahlungsbilanzen trotz höherer Haushaltsdefizite


Die Haushaltsdefizite vieler Emerging Markets sind während der Pandemie gestiegen, erscheinen aber weitgehend handhabbar, weil die Finanzhilfen in diesen Ländern im Vergleich zu den Industrieländern nicht sehr hoch waren. Grundsätzlich sind auch die Staatsschulden in den Emerging Markets deutlich niedriger als in den Industrieländern. Viele Zahlungsbilanzen (ein Maß für die Differenz der Kapitalzu- und abflüsse eines Landes) haben sich während der Pandemie verbessert, weil die Binnennachfrage durch die Coronarestriktionen zurückgegangen ist. Zugleich haben Emerging Markets von unterbewerteten Währungen profitiert. Einige verzeichnen sogar Leistungsbilanzüberschüsse.


Rohstoffexporteure profitieren von höheren Preisen.


Der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise ist günstig für viele rohstoffexportierende Emerging Markets. Sie profitieren von guten Terms of Trade, die wiederum gut gegen Ungleichgewichte in Außenhandelsbilanzen und Staatshaushalten sind. Zudem federn sie die Auswirkungen eines schwächeren globalen Wachstums ab. Lateinamerikanische Rohstoffexporteure dürften am meisten von den steigenden Rohstoffpreisen profitieren, vor allem, weil sie nur wenige Handelsbeziehungen mit Russland und der Ukraine haben. Die meisten asiatischen Schwellenländer sind Netto-Rohstoffimporteure, sodass sich ihre Außenhandelsbilanzen verschlechtern dürften, aber vielen von ihnen haben Leistungsbilanzüberschüsse. Die EMEA-Region (Europa, Naher Osten und Afrika) bietet ein gemischtes Bild. Einige Länder wie die Türkei dürften am meisten vom enormen Anstieg der Rohstoffpreise betroffen sein; einige ölexportierende Länder aus dem Nahen Osten werden mit am meisten davon profitieren. Ungeachtet all dessen, sind die Rohstoffpreise nur einer von vielen Faktoren, die diese Volkswirtschaften bestimmen. Beispielsweise können in Wahljahren politische Risiken die Wirtschaft dominieren. Dieser und andere Faktoren mit Einfluss auf die Volatilität könnten bevorstehende Aufschwünge bremsen.


Günstiges technisches Umfeld


Seit Mitte März werden weniger neue Anleihen emittiert. Zins- und Rückzahlungen sind höher als die Emissionsvolumina. Das sorgt für ein günstiges technisches Umfeld. Unterdessen scheinen die Investoren seit kurzem pessimistischer für Emerging-Market-Anleihen geworden zu sein. Nach Angaben von Barclays verzeichneten Publikumsfonds und ETFs für Emerging-Market-Anleihen in diesem Jahr bis zum 19. April 2022 13,5 Milliarden US-Dollar Mittelabflüsse. Weil die EM-Zentralbanken ihre Zinsen weiter erhöhen, sodass sich die Zinsabstände gegenüber den Industrieländern ausweiten, könnte sich dieser Trend umkehren.


Mögliche Chancen durch die derzeitige Volatilität


Unser Investmentteam bevorzugt bei unseren Core-Strategien für Emerging-Market-Anleihen gut diversifizierte Portfolios, mit Lokalwährungs- und USD-Staats- und Unternehmensanleihen. Wir setzen nicht alles auf eine bestimmte Einschätzung oder Überzeugung, schon gar nicht im aktuellen Marktumfeld.


Die Kombination aus recht schwachem globalem Wachstum und hoher Inflation bleibt eine Herausforderung für Emerging-Market-Anleihen, vor allem, wenn die Fed ihren Zinserhöhungszyklus beschleunigt. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Die entschlossenen Maßnahmen der Zentralbanken, die Fundamentaldaten und das technische Umfeld sind im langfristigen Vergleich gut und besser als in den Industrieländern. Aus Bewertungssicht und mit dem Wissen, dass die Ergebnisse der Vergangenheit kein Hinweis auf künftige Ergebnisse sind, waren die langfristigen Erträge von Emerging-Market-Anleihen früher immer positiv, wenn die Renditen auf dem aktuellen Niveau oder höher waren. Angesichts all dessen könnte die aktuelle Volatilität der Assetklasse langfristigen Investoren einen guten Einstiegszeitpunkt bieten.



Harry Phinney ist ein Fixed Income Investment Director mit 14 Jahren Branchenerfahrung (Stand: 31.12.19). Er hat einen MBA in International Business von der Northeastern University, einen Master in angewandter Statistik und Finanzmathematik von der Columbia University und einen Bachelor in internationaler politischer Ökonomie von der Northeastern University.


Der J.P. Morgan Emerging Market Bond Index (EMBI) Global Diversified ist ein gleichgewichteter Index, der die Gesamterträge von USD-Anleihen abbildet, die von Emerging-Market-Ländern und quasi-staatlichen Unternehmen emittiert wurden. Der Index wird nicht gemanagt und geht von einer Wiederanlage der Dividenden und/oder Ausschüttungen aus. Die Auswirkungen von Kontogebühren, Kosten und US-Einkommenssteuern sind nicht berücksichtigt.

 

Der J.P. Morgan Government Bond Index— Emerging Markets (GBI-EM) Global Diversified umfasst alle regelmäßig gehandelten, liquiden Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen, in die internationale Investoren investieren können. Der Index wird nicht gemanagt und geht von einer Wiederanlage der Dividenden und/oder Ausschüttungen aus. Die Auswirkungen von Kontogebühren, Kosten und US-Einkommenssteuern sind nicht berücksichtigt.

 

Der Bloomberg U.S. Aggregate Index bildet die Wertentwicklung des Markts für US-Investmentgrade-Anleihen ab. Der Index wird nicht gemanagt und geht von einer Wiederanlage der Dividenden/Ausschüttungen aus. Die Auswirkungen von Ausgabaufschlägen, Provisionen, Kontogebühren, Kosten und US-Einkommenssteuern sind nicht berücksichtigt.

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