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Investmentresearch von der Capital Group

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Fed
Die große Frage der Fed: Wie hoch ist hoch genug?
Darrell Spence
Volkswirt
Jared Franz
Aktienportfoliomanager
Pramod Atluri
Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere
Damien J. McCann
Anleihenportfoliomanager

Die Portfoliomanager und Wirtschaftsexperten der Capital Group erörtern die jüngste Zinserhöhung der Fed und erklären, wie sich der anhaltende Kampf gegen die Inflation auf die künftigen Renten- und Aktienportfolios auswirken könnte.


Bei ihrer Sitzung im November erhöhte die US-Notenbank ihren Referenzzinssatz zum vierten Mal in Folge um 75 Basispunkte (BP), da die Inflation hartnäckig hoch blieb.


Dieser Schritt, der den Leitzins auf eine Spanne von 3,75 bis 4 % bringt, erfolgt nach einem Bericht über den Verbraucherpreisindex (VPI) für September, der die Erwartungen übertraf. Die jüngsten Zahlen deuten darauf hin, dass die Inflation ihren Höchststand noch nicht erreicht hat. Angeführt von Mieten und Mieten für Wohneigentum beschleunigte sich die Inflation für Dienstleistungen im Monatsvergleich deutlich. In Verbindung mit starken Beschäftigungsdaten lässt die anhaltende Inflation der Fed kaum andere Möglichkeiten, als ihren Kurs fortzusetzen.


Die Fed hat angedeutet, dass sie bei der Planung ihrer künftigen Strategie bald eine Verlangsamung ihrer Zinsanhebungen in Erwägung ziehen könnte, wobei sie die „kumulative Straffung der Geldpolitik, die Verzögerungen, mit denen sich die Geldpolitik auf die Wirtschaftsaktivität und die Inflation auswirkt, sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen berücksichtigen würde“. Der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, bekräftigte jedoch, dass die Zentralbank „auf Kurs bleiben würde, bis der Job erledigt sei“ und erklärte, dass es „sehr verfrüht“ sei, von einer Aussetzung der Zinserhöhungen zu sprechen.


„Die seit unserer letzten Sitzung eingegangenen Daten deuten darauf hin, dass das endgültige Zinsniveau höher ausfallen wird als bisher erwartet“, so Powell. „Die Frage, wann das Tempo der Zinserhöhungen gedrosselt werden soll, ist jetzt weniger wichtig als die Frage, wie stark die Zinsen angehoben werden und wie lange die restriktive Geldpolitik beibehalten werden soll, was unser Hauptfokus sein wird.“


Der Markt unterschätzt möglicherweise, wie hoch die Zinsen letztendlich steigen werden.


Darrell Spence und Jared Franz, Volkswirte


Der Markt hat seine Erwartungen bezüglich des Höchststandes des Leitzinses der US-Notenbank zwar hochgeschraubt, ist aber möglicherweise noch nicht vollständig darauf vorbereitet, wie weit die Fed noch gehen muss oder welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies haben dürfte. Es sollte daran erinnert werden, dass der Leitzins Mitte der 1990er Jahre, als die Inflation deutlich niedriger war als bisher, meist bei 5 bis 6 % lag. Die meisten historischen Straffungszyklen wurden erst dann beendet, als der Leitzins deutlich über der Inflation lag. Erhöhte Zinserwartungen der letzten Monate haben bereits zu einem starken Anstieg der Anleiherenditen und einem erneuten Rückgang der Aktienkurse geführt, aber es könnte noch weiter gehen.


Die Inflation kann hartnäckig höher bleiben, als vom Markt und von der Fed erwartet. Die Schwäche des Wohnimmobiliensektors und anderer Bereiche deutet darauf hin, dass der Preisdruck nachlassen sollte, die Inflationsberichte der letzten Monate haben jedoch eher nach oben hin überrascht. Es scheint zahlreiche längerfristige Treiber der strukturellen Inflation zu geben, die andauern könnten, darunter erhöhte Inflationserwartungen, die anhaltenden Auswirkungen der während der Pandemie aufgelaufenen Haushaltseinsparungen, der Klimawandel, geopolitische Risiken und Unternehmen, die Lieferketten näher an ihren Heimatort verlagern. Es ist durchaus realistisch, dass die Inflation über einen längeren Zeitraum über dem Ziel der Fed von 2 % bleiben könnte. Im Extremfall könnte die Inflation strukturell bei 5 % bleiben.


Die Erwartungen an Zinserhöhungen sind deutlich gestiegen

Fed future rate chart

Source: Capital Group, FactSet.

Die Hürde für die Fed, die quantitative Straffung vollständig zu beenden, ist hoch. Extreme Marktturbulenzen wären die einzige Möglichkeit, dem ein Ende zu setzen. Eine Rezession dürfte die Fed wahrscheinlich nicht dazu veranlassen, die Reduzierung ihrer Bilanz zu stoppen, obwohl sie das Tempo verlangsamen könnte. Einige Fed-Gouverneure wollen sich ganz aus den Maßnahmen der quantitativen Lockerung zurückziehen. Dies würde der wesentlichen Kritik, dass die Zentralbank durch das Halten so vieler festverzinslicher Wertpapiere einen unzulässigen Einfluss auf die Märkte ausübt und den Wohnimmobiliensektor durch ihren Bestand von 2,6 Billionen US-Dollar an hypothekenbesicherten Wertpapieren überstimuliert, den Wind aus den Segeln nehmen.


Schwache Gewinne könnten die Aktien weiter nach unten ziehen 


Darrell Spence, Volkswirt


In der Vergangenheit verzeichneten Bärenmärkte, die mit einer Rezession einhergehen, einen mittleren Rückgang von 35 % und eine mittlere Dauer von 17 Monaten. Im Falle einer Rezession in den USA könnte der Einbruch bis weit in das Jahr 2023 hinein anhalten.


Wir haben den Teil des Bärenmarktes gesehen, der mit einem Rückgang der Bewertungen einhergeht, aber nicht den Teil, der mit einem Rückgang des Gewinns pro Aktie (EPS) verbunden ist. Die EPS-Prognosen sind in den letzten Monaten gesunken. Die Konsensschätzungen für das EPS-Wachstum im Jahr 2023 liegen jedoch weiterhin bei etwa 6 %, was mir zu optimistisch erscheint.


In früheren Rezessionen war es normal, dass die Unternehmensgewinne um 15 bis 20 % zurückgingen. Angesichts der sich abkühlenden Volkswirtschaften weltweit, des starken US-Dollars und des Margendrucks aufgrund steigender Lohnkosten ist es durchaus plausibel, dass wir bei Aktien weitere Rückgänge sehen könnten.  Bei einem Rückgang des Gewinns pro Aktie um 15 % müsste der S&P 500 zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 20,6 gehandelt werden, um sein aktuelles Niveau zu halten. Dies erscheint mir in einem Umfeld, in dem die Renditen 10-jähriger Anleihen bei etwa 4 % liegen (und vielleicht auf 5 % zusteuern), nicht so günstig.


Im Durchschnitt erreicht der S&P 500 seinen Höchststand sieben Monate, bevor der Konjunkturzyklus seinen Höhepunkt erreicht hat (gemessen an der Industrieproduktion). Nach einem Produktionshöchststand fällt der Markt in der Regel für weitere vier bis sechs Monate, um dann vor der Wende bei der Wirtschaftsaktivität und den Unternehmensgewinnen wieder zu steigen. Bis dato haben wir noch keinen Spitzenwert in der Produktion gesehen.  


Kernanleihen: Verlagerung auf das vordere Ende der Renditekurve 


Pramod Aturi, Portfoliomanager


Die Zinsstrukturkurve ist invertiert, da der Markt die steigenden kurzfristigen Zinsen der Fed zur Bekämpfung der Inflation und die steigende Wahrscheinlichkeit einer Rezession einpreist. Da die Renditen nun bis Mitte 2023 eine Federal Funds Rate von 5 % widerspiegeln, bin ich der Meinung, dass das vordere Ende der Zinsstrukturkurve einen überzeugenden Wert darstellt. Daher haben wir unsere Kernanleihenportfolios von einer untergewichteten Position in kurzfristigen Staatsanleihen auf eine Übergewichtung umgestellt. Die Gesamtduration der Portfolios ist weiterhin neutral, da der kurzfristige Inflationsausblick ungewiss bleibt.


Viele Echtzeit- und zukunftsgerichtete Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Zinserhöhungen der Fed dämpfend auf die Wirtschaft ausgewirkt haben. Eine zunehmende Anzahl von Stimmen empfiehlt, dass die Fed die Zinserhöhungen im Jahr 2023 verlangsamen und letztendlich im Bereich von 4,5 bis 5 % aussetzen sollte, um die Auswirkungen ihrer Maßnahmen zu bewerten, bevor möglicherweise weitere Zinserhöhungen erfolgen. Letztendlich werden die nächsten Inflationsberichte zeigen, ob es sich die US-Notenbank leisten kann, dies umzusetzen. Ich denke, ein längeres Verweilen bei etwa 5 % wäre nach unserem heutigen Wissensstand angemessen, was impliziert, dass die Zinssätze gegenüber den aktuellen Niveaus nur leicht nach oben driften. Steigt die Inflation in den kommenden Monaten schneller als erwartet, ist diese Sichtweise hinfällig.


Wenn die Fed ihren Zinserhöhungszyklus aussetzt, dürfte es meiner Ansicht nach zu einer Rally bei kurzfristigen Staatspapieren und einem Zurückbleiben bei länger laufenden Anleihen kommen, was dazu führen würde, dass die Zinsstrukturkurve schnell von einer inversen in eine positive Neigung übergeht. Dieser potenzielle Anstieg der Zinsstrukturkurve könnte recht erheblich sein. Angesichts der eventuellen Möglichkeit und der Schwierigkeit, vorherzusagen, wann dieser Übergang stattfinden wird, würde ich eher etwas früher als später handeln.


Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft beflügelt die Kreditwerte 


Damien McCann, Portfoliomanager


Die anhaltende Resilienz der Verbraucher ist für Kreditanlagen günstig. Dies ist zum großen Teil auf die niedrige Arbeitslosigkeit und die Bankguthaben zurückzuführen, die nach wie vor von den Konjunkturmaßnahmen der COVID-Zeit profitieren.


Die Kreditspreads von Investment-Grade-Anleihen (BBB/Baa oder höher) könnten sich durch die Konjunkturabschwächung gegenüber dem aktuellen Niveau ausweiten. Die Unternehmensbilanzen sind derzeit in ordentlicher Verfassung und können wahrscheinlich einige Schwierigkeiten überstehen, bevor sie übermäßig belastet werden. Der Gesamtverschuldungsgrad im Finanzsektor ist nicht allzu hoch. Ich gehe davon aus, dass die Verschlechterung der Fundamentaldaten der Unternehmen von der Schwere des Konjunkturabschwungs abhängig sein wird. Aktuell gehe ich davon aus, dass wir keine schwere Rezession erleben werden. Eine moderate Rezession erscheint mir wahrscheinlicher.  Auch das Bankensystem ist gut kapitalisiert. Ich bin in den von mir verwalteten Portfolios etwas defensiver positioniert, aber nicht in einem Bunker und habe Unternehmensanleihen relativ gesehen leicht untergewichtet.


In Multisektor-Kreditportfolios sehe ich ausgewählte Anlagemöglichkeiten bei verbrieften Krediten und einigen Bereichen von Schwellenmarktanleihen. Einige Emittenten aus den Schwellenländern, die unsere Analysten für stabil halten, sehen in Bezug auf die aktuellen Bewertungen attraktiv aus, da die breit angelegte Schwäche des Sektors ihre Spreads stärker als gerechtfertigt ausgeweitet hat.


Ich bleibe bei Hochzinsanleihen vorsichtig, auch wenn die Renditen deutlich gestiegen sind, sich die Fundamentaldaten verbessert haben und die Ausfallraten im historischen Vergleich niedrig sind. Hochzinsanleihen haben sich in geldpolitischen Straffungszyklen in der Regel nicht gut entwickelt. Daher möchte ich lieber geduldig sein und auf einen attraktiveren Einstiegspunkt warten.



Darrell Spence  ist Volkswirt, analysiert die USA und hat 31 Jahre Investmenterfahrung  (Stand 31. Dezember 2023). Er hat einen Bachelor in Volkswirtschaft vom Occidental College. Außerdem ist er Chartered Financial Analyst® (CFA) und Mitglied der National Association for Business Economics.

Jared Franz ist Aktienportfoliomanager und hat 18 Jahre Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat an der University of Illinois in Chicago in Wirtschaftswissenschaften promoviert und hat einen Bachelor in Mathematik von der Northwestern University.

Pramod Atluri ist Anleihenportfoliomanager und hat 20 Jahre Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat einen MBA von der Harvard University, einen Bachelor von der University of Chicago und ist Chartered Financial Analyst (CFA).

Damien J. McCann ist Anleihenportfoliomanager und hat 24 Jahre Investmenterfahrung (Stand 31. Dezember 2023). Er hat einen Bachelor in Business Administration mit Schwerpunkt Finanzen von der California State University, Northridge und ist Chartered Financial Analyst®.


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Die Capital-Group-Unternehmen managen Aktien in drei Investmenteinheiten, die ihre Anlageentscheidungen autonom treffen und unabhängig voneinander auf Hauptversammlungen abstimmen. Die Anleihespezialisten sind für das Anleihenresearch und das Anleihemanagement im gesamten Unternehmen verantwortlich. Bei aktienähnlichen Anleihen werden sie aber ausschließlich für eine der drei Einheiten tätig.